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Vollgas aus dem Stand

Matthias Müller
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Vollgas aus dem Stand
Gebetsgruppe beim geistlichen Auftakt des Tages

Wenn ich mit meinem 10 Jahre alten Touran losfahre, bemühe ich mich, den Motor warmzufahren, bevor ich ihn fordere. Die Delegierten und Übersetzer aus den deutschsprachigen Ländern haben dieses Privileg nicht. Am Sonntagabend angekommen, ist ihre innere Uhr ist schon sieben Stunden weiter als die hiesige Ortszeit. Aber Zeit zum „Warmfahren“ bleibt nicht, denn am Morgen des nächsten Tages – Montag, 6. Juni, an dem ich diese Zeilen verfasse – ist schon Beginn der Weltsynode (Generalkonferenz-Vollversammlung). Als gegen 8:00 Uhr das offizielle Programm beginnt, ist das für deutsches Empfinden bereits 15:00 Uhr, und wenn nach hiesiger Uhrzeit die ersten Personalentscheidungen fallen werden, wäre es eigentlich Zeit, sich auf die Bettruhe vorzubereiten. Aber die Sitzungen gehen bis ca. 21:00 Uhr, d.h. deutsche Delegierte müssen entsprechend ihrer inneren Uhr bis morgens 4:00 Uhr durchhalten. Keine leichte Aufgabe. Je nach Naturell wird es ein paar Tage dauern, bis die Umstellung gelungen ist, aber dann ist die Zusammenkunft der Delegierten auch schon fast vorbei.

Geistlicher Start in den Tag

Der Tag fing mit geistlichem Angebot an. Adventistische Größen wie Mark Finley und Dwight Nelson, die in der Vergangenheit durch Satellitenevangelisationen auch in Deutschland bekannt geworden sind, hielten Andachten, die zu Bibelstudium und Gebet hinführten. Ähnlich auch Barry Black, der als adventistischer Chaplain (Seelsorger) im amerikanischen Senat wirkt. Wiederholt fanden sich die Delegierten zu kleinen Gebetsgemeinschaften und Meditationsgruppen zusammen, die entweder still für sich oder gemeinsam beteten bzw. einen Psalm miteinander bedachten und ihn beteten. Das ganze lief in ruhiger, würdevoller Atmosphäre ab, unterbrochen von einzelnen Liedstrophen sehr getragener Hymnen. Angesichts der Liedauswahl und der Sprecher auf der Bühne kamen mir als Beobachter allerdings Fragen. Bei aller Wertschätzung der Männer, die ich teils persönlich kenne – wäre es nicht an der Zeit, dass Jüngere diese Aufgabe übernehmen? Ist es tatsächlich nicht gelungen, in den vergangenen sieben Jahren jemanden an solche Dienste heranzuführen, dass von solch einer Veranstaltung ein Signal an jüngere Gemeindemitglieder gehen könnte, im Sinne von: Ihr seid hier willkommen und gebraucht, von einer Frau in diesem Dienst einmal ganz zu schweigen? In meinen Augen eine vertane Gelegenheit. Die Verdienste jener „Recken des Glaubens“ hätte man sicher auch in der Form würdigen können, dass sie als Mentoren Jüngere in solche repräsentativen Aufgaben einführen. Immerhin: Es war deutlich zu erkennen, dass es in diesem eher meditativen Teil des Tages einmal nicht um „die richtige Lehre“ ging, sondern um die tatsächliche Hinwendung zum Wort Gottes und zu Gebet. Umfragen unter den Gemeindegliedern hatten in der Vergangenheit erkennen lassen, dass bei einer Mehrheit Bibellesen und Gebet offenbar zu kurz kommen.

Bericht – und alles gut?

Es sind knapp 1.900 Delegierte vor Ort, so zum offiziellen Sitzungsbeginn Erton Köhler, der Sekretär der Weltarbeitsgemeinschaft. Damit ist die notwendige Anzahl der Delegierten erreicht, was für die Geschäftsfähigkeit Voraussetzung ist. Die Zahlen und die offizielle Eröffnung der 61. Weltsynode wurde von den Delegierten mit lautem Applaus quittiert. Nach Verlesen des „mission statements“, also der Formulierung des Selbstverständnisses und Auftrages der Kirche begann der Präsident der Weltarbeitsgemeinschaft, Ted Wilson, mit seinem Bericht über die vergangenen sieben Jahre. Er leitete den Bericht mit dem Hinweis darauf ein, dass vieles auf der Welt kaputt sei und belegte das mit der Erinnerung an den Krieg in der Ukraine und den vielen Menschen, die ihrer Heimat beraubt sind. Zugleich hob er hervor, welche Hilfsdienste ADRA in den betroffenen Ländern der Region leistet und dass der ukrainische HopeChannel auf veränderte Art und Weise seinen Dienst fortsetzt. Danach wandte er sich anderen Bereichen zu, wo er auf Erfolge in der Arbeit verwies. Schwierige Anliegen kamen nicht vor. Er ließ es sich nicht nehmen, gemeinsam mit Duane McKay, dem derzeitigen Leiter von Adventist World Radio, in einem eigens dafür hergerichteten kleinen Taufbecken einen philippinischen Offizier und dessen Frau zu taufen. Beide Täuflinge waren durch die Bekehrung von philippinischen Rebellen so berührt worden, dass auch sie sich zur Taufe entschieden. Die Rebellen auf den Philippinen waren durch Adventist World Radio erreicht worden (siehe auch die Berichterstattung bei adventisten.de). Ich verstehe, dass solch eine symbolträchtige Taufe sowohl für den Weltkirchenpräsidenten als auch den Leiter von Adventist World Radio eine freudige Gelegenheit ist. Aber man muss bei solch bedeutendem Anlass immer auch die unausgesprochenen Botschaften bedenken. Wäre es nicht ein gutes Signal gewesen, die Taufe durch den zuständigen Pastor durchführen zu lassen, einfach als Signal der Wertschätzung gegenüber den Pastoren, die überall ihren Dienst tun, und auch als persönliche Brücke für die Neugetauften vor Ort?

Manches muss sich noch einspielen

Der weitere Vormittag war von ersten Abstimmungsversuchen mit der Elektronik geprägt. Allerdings gab es Empfangsprobleme in manchen Bereichen der Halle, so dass man statt Elektronik auf Handzeichen oder Aufstehen als Abstimmungssignal überging. Das reichte zwar für die nötigen Mehrheiten, war aber alles andere als zufriedenstellend. Auch Wortbeiträge “aus dem Weltfeld” kamen an, als der Punkt schon vorbei war – schwierige Situation! Hoffen wir, dass es im Laufe des Tages gelingt, die Probleme zu bewältigen, denn sonst ist der enge Zeitplan in Gefahr. Die Delegierten waren jedenfalls gutwillig und kooperativ, so dass Arthur Stele, abgesehen von einer kritischen Situation, wenig Mühe bei der Sitzungsleitung hatte. Und manche Dinge müssen sich eben noch einspielen. Beim Mittagessen sah man zum Beispiel, dass die Dienstleister ihr Handwerk verstehen. Die rund 2.000 hungrigen Tagungsteilnehmer mussten nicht einmal Schlange stehen, um ihr reichhaltiges Essen an die weißgedeckten Tische tragen zu können.

Matthias Müller

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