June 5, 2022

Weltsynode 2022 - Blick hinter die Kulissen

Matthias Müller

Der Begriff der „Generalkonferenz“ schwimmt im Deutschen ein wenig. Zum einen wird damit die Weltkirchenleitung an ihrem Sitz in Silver Spring, nördlich von Washington D.C. bezeichnet, landläufig aber auch die Zusammenkunft der Delegierten aus aller Welt, die man präziser Generalkonferenz-Vollversammlung oder Weltsynode nennt. Der Begriff „Generalkonferenz“ ist übrigens keine adventistische Erfindung, auch die „Kirche Jesus Christi der Letzten Tage“ (Mormonen) begeht Generalkonferenzen, und zwar schon seit 1830.

Die Weltsynode 2022 der Siebenten-Tags-Adventisten – eine Konferenz außer der Reihe. Seit langem finden  diese adventistischen Großversammlungen aller fünf Jahre statt. Dieses Mal sind es coronabedingt sieben Jahre seit der letzten derartigen Zusammenkunft.

Der Weg bis zur diesjährigen Konferenz, die vom 6. bis 11. Juni 2022 in St. Louis, Missouri, stattfindet, war nicht einfach. In der Verfassung der Kirche sind zeitliche Verschiebungen nur in eng begrenztem Rahmen erlaubt und Pandemien nicht vorgesehen. Insofern brauchte es entsprechende Sonderbeschlüsse, um die rechtliche Möglichkeit für diese Konferenz als sogenannte Hybrid-Veranstaltung zu schaffen.

Dass hinter solchen Großveranstaltungen mit gut und gerne 60.000 Gläubigen enorm viel organisatorische Anstrengung steht, liegt auf der Hand. Sheri Clemmer hat sich im Lauf der Jahre viel Expertise in Sachen Organisation erworben. Sie geht allerdings nach der diesjährigen Konferenz in den Ruhestand. Sie ist Teil eines Dreierteams, gemeinsam mit Silvia Sicalo und George O. Egwakhe (stellvertretender Schatzmeister, Teamleitung). In einem Interview mit Adventist News Network (ANN) erzählt sie, dass es normalerweise eine lange Vorlaufzeit für eine Generalkonferenz-Vollversammlung gibt: „Neun Jahre vor der Tagung wählt das Komitee für die Standortwahl die Gastgeberstadt aus. Das Komitee prüft die Optionen, holt Vorschläge von möglichen Städten ein und besucht dann jede einzelne. Die besten Optionen werden dem Exekutivkomitee der Weltkirchenleitung  auf einer der jährlichen Tagungen vorgestellt, das dann die Entscheidung trifft“.

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Sheri Clemmer während der 60. Generalkonferenz-Vollversammlung (Weltsynode) der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten im Alamodome, San Antonio, Texas, USA, 2015. | Foto: Josafat Zemleduch
https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Eigentlich war diese Konferenz für 2020 in Indianapolis geplant und schon weitgehend vorbereitet. Aber Corona blockierte alles. Dann war Mai 2021 als Ausweichtermin im Gespräch, aber Corona ließ auch das nicht zu. Die neuerliche Verschiebung auf 2022 machte es unmöglich, die Pläne weiterhin in Indianapolis zu verfolgen, Alternativen mussten her. Auch das war kompliziert, denn wie soll man planen, wenn man nicht weiß, ob die Pandemie mit all ihren Einschränkungen dann vorbei sein wird oder nicht? Erschwerend kam hinzu, dass erst am 18. Januar 2022 bei einer eigens dafür einberufenen Sitzung seitens der Kirchenleitung die rechtlichen Voraussetzungen für die Verschiebung und Online-Nutzung geschaffen werden konnten. Der Vorlauf von mehreren Jahren schnurrte auf wenige Monate zusammen.

„Zum Glück sind wir zu dritt und können uns gegenseitig trösten“, sagt Clemmer mit Blick auf das Vorbereitungsteam und lacht.

Und warum nun nochmals St. Louis? Die Räumlichkeiten in Indianapolis standen nur noch im Spätherbst und Weihnachten zur Verfügung, also ungeeignet für ein Treffen mit so vielen Menschen. Gott sei Dank – im wahrsten Wortsinn – konnten die Verträge in Indianapolis ohne Vertragsstrafe gekündigt werden. Die Verwaltung der Metropole St. Louis erinnerte sich offenbar positiv an die vielen Adventisten im Jahre 2005 und hätte solch ein Großereignis gern wieder in der Stadt gesehen. Das führte schließlich dazu, dass die Kirche die riesigen Veranstaltungsräume (viele Nebenräume, große überdache Sportarena, Speisesäle) im Konferenzzeitraum für einen symbolischen Dollar angeboten bekam, vorausgesetzt, es kommen genug Teilnehmer mit einer entsprechenden Anzahl Hotelbuchungen und fest vereinbarten Mahlzeiten in die Stadt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, so gesehen kann man die Unternehmung aus Veranstaltersicht durchaus als wirtschaftlich gelungen, geistlich gesprochen: als gesegnet, bezeichnen.

Die Stadt zeigt sich auch dahingehend erkenntlich, dass rings um das Amerika’s Center, wo die Versammlungen stattfinden, Willkommensfahnen ausdrücklich auf die Siebenten-Tags-Adventisten hinweisen.

Herausforderung Digitalisierung

Allerdings bringt diese Konferenz auch neue Herausforderungen mit sich. Es sind nicht nur die Sprachen, sondern auch die Technik und die Zeitpläne. Es braucht eine zuverlässige digitale Infrastruktur, damit nicht nur die fast 2.200 Delegierten aus 200 Ländern in St. Louis sich ins Geschehen einbringen können, sondern auch die Delegierten weltweit, die meist wegen der Corona-Einschränkungen noch immer nicht anreisen können.  

„Die diesjährige Tagung wird in fünf Sprachen angeboten“, so Clemmer. „Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Russisch. Aus diesem Grund brauchen wir mehrere Zoom-Sitzungen und ein Team von Übersetzern … sowie Zoom-Ausrüstung für jeden Delegierten und jede Sprache. Das wirkt sich enorm auf das Budget aus.“ Zwei deutsche Übersetzer – Stephan Brass und Klaus Schmitz – werden ihr Bestmögliches tun, das Geschehen auf deutsch wiederzugeben. Aber es liegt auf der Hand, dass die beiden trotz ihrer reichen Erfahrung bei einem 12-Stunden-Tag mit Geschäftssitzungen überlastet sein werden.

Zusätzlich zu den Delegierten vor Ort werden rund 600 Delegierte weltweit an den Geschäftssitzungen und natürlich auch an den Abstimmungen teilnehmen, was sowohl zeitlich als auch technisch herausfordernd ist. Auch die gesamten Abstimmungen in St. Louis werden über eine hoffentlich stabil laufende Online-Plattform stattfinden. Sollte die unzuverlässig sein, hätte das für das ganze Vorhaben unangenehme Folgen. Die Techniker tun ihr Bestes und für alle Verantwortlichen ist dieser Aspekt der Zusammenkunft ein Gebetsanliegen. Die Delegierten haben vor Beginn der Sitzungen bereits mit dem elektronischen Abstimmungssystem geübt. Die Anonymität des Abstimmverhaltens jedes einzelnen Delegierten ist sichergestellt.

Dazu kommt eine Herausforderung, deren man sich als Delegierter vielleicht gar nicht bewusst ist: die verschiedenen  Zeitzonen auf der Welt. Da östlich gelegene Länder den USA zeitlich gesehen voraus sind, werden für diese Vertreter zumindest für die Abendsitzungen Nachtschichten einzulegen sein. Und nicht nur das.

„Vor ein paar Monaten haben wir festgestellt: 'Oh, am Freitag in St. Louis ist für einen Delegierten irgendwo auf der Welt bereits Sabbat. Die Delegierten werden am Sabbat nicht an den Geschäften teilnehmen.' Also mussten wir den Zeitplan drastisch anpassen“, sagt Clemmer. „Alle geschäftlichen Angelegenheiten finden von Montag bis Donnerstag statt, die Berichte der Abteilungen werden am Freitag behandelt, und der Sabbat ist ein Tag für den Gottesdienst.“

Zugang für alle

Es wird dieses Mal keine Ausstellung geben, die sonst einer internationalen adventistischen Fachmesse gleichkam. Adventist Media Germany von der damaligen STIMME DER HOFFNUNG (heute Hope Media) war übrigens auf der Generalkonferenz 2005 in St. Louis erstmalig auf einer solch großen Internationalen Ausstellung mit verschiedenen von der „STIMME“ produzierten Medien vertreten.

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Stand der STIMME DER HOFFNUNG bei der Generalkonferenz 2005 in St. Louis | Foto: Matthias Müller

Wie bei der vorigen Generalkonferenz-Vollversammlung gibt es auch dieses Mal eine englischsprachige App, mit der sich Gemeindeglieder rund um den Globus auf dem Laufenden halten können. Sie bietet Zugang zu vielen Informationen rund um die Konferenz, darunter sogar den Zutritt zu einer virtuellen Ausstellung (Registrierung erforderlich). Die App kann kostenlos im Playstore für Android und im Apple Store für iOS-Geräte unter dem Namen „GCS 2022“ heruntergeladen werden.

Stimmgewaltige Chöre und Orchester vergangener Vollversammlungen werden dieses Mal nicht live zu erleben sein. Die Musik wird mehr in der virtuellen Welt spielen, so dass sie gleichzeitig weltweit wahrgenommen werden kann.

Die große Zahl der mitreisenden Ehegatten, Sonderdelegierten und einfach aus Identifikation mit der eigenen Kirche anreisenden Gläubigen wird es dieses Mal nicht geben, dafür hatte Corona in den Monaten zuvor einen zu starken Einfluss. Dennoch werden die, die vor Ort sein können, das Treffen genießen. Die ersten „Hallos“ und „Ach wie schön, sich nach so vielen Jahren wieder zu sehen“ gab es bereits.

Durch die Verkürzung des Gesamtevents von zehn auf sechs Tage müssen die Geschäftssitzungen sehr kompakt organisiert werden und laufen von morgens bis abends, von Freitag und Sabbat abgesehen. Dennoch ist man von der Veranstalterseite her bemüht, auch Raum für geistliche Zeiten zu schaffen, denn es ist schließlich kein weltweit operierendes Unternehmen, sondern eine Kirche, die sich zu ihrer Konferenz für weitreichende Entscheidungen trifft. Dazu gehören auch Personalentscheidungen.

Die Kirche geht mit dieser Veranstaltung ein organisatorisches Risiko ein, weil hybride Zusammenkünfte dieser Größenordnung, die auch noch eine rechtliche Komponente beinhalten, eher selten sein dürften. Bleibt also, auf einen reibungslosen Ablauf zu hoffen und eventuell auftretende Pannen gelassen zu nehmen. Organisatorisch sind jedenfalls alle Vorkehrungen getroffen worden und die Gemeindemitglieder in aller Welt sind zur Fürbitte eingeladen.

(Nach einem Artikel von Maryellen Hacko, Adventist Network, ANN) Matthias Müller für Adventist Review

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